Prostitution in der DDR 1968 - 1989. Ein Vergleich der drei Städte Rostock, Berlin und Leipzig

Mit der Einführung des neuen StGB im Jahr 1968 galten Prostituierte nach § 249 in der DDR als „Asoziale“ und konnten strafrechtlich verfolgt werden. Mit diesem Schritt setzte die staatliche Führung ideologische Ansprüche um und grenzte sich moralisch von der Bundesrepublik ab. Prostituierte sollten zudem ihre Arbeitskraft für den Aufbau und Fortschritt des sozialistischen Staates einsetzen. Fortan ignorierte die SED das Milieu in der Öffentlichkeit und propagierte die erfolgreiche Auslöschung dieser Tätigkeit.
In der Dissertation soll das staatliche Selbstverständnis der Realität gegenüberstellt werden. Eine Untersuchung der weiblich-heterosexuellen Prostitution aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive kann auch für die Bewertung des heutigen Milieus hilfreich sein. Die DDR bietet dabei ein ideales Forschungsfeld. Das Jahr 1968 dient aufgrund des bereits erwähnten strafrechtlichen Verbots des Geschäfts mit der käuflichen Liebe als Ausgangspunkt der Untersuchung. Die rechtliche Regelung bedeutete eine neue Qualität bezüglich der Bestrafung von und des Umgangs mit Prostituierten.
Rostock entwickelte sich zu einem wichtigen Wirtschafts- und Handelszentrum der DDR, vor allem bedingt durch den Ostseezugang. Ständig liefen ausländische Schiffe den Hafen an, Seeleute prägten das Bild der Stadt mit. Das maritime Flair der Stadt Rostock förderte außerdem einen florierenden Tourismus. Ost-Berlin war als Hauptstadt der DDR und durch die Grenzlage ein Anziehungspunkt für westliche Ausländer. Hier hielten sich viele aus Sicht des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) „operativ-interessante“ Personen wie Diplomaten, Wirtschaftsvertreter und Journalisten auf. Westliche Ausländer hatten nicht nur begehrte Devisen bei sich, sondern ermöglichten vielen Frauen auch einen Blick in die freie westliche Welt. Es ist zu erwarten, dass dieser Umstand Prostitution förderte. Leipzig als Messestandort war ebenfalls Magnet für viele westliche Politiker, Wirtschaftsvertreter, Diplomaten und Journalisten, daneben aber auch bedeutendes Aushängeschild für die DDR. Deswegen lockte die Leipziger Messe zweimal jährlich Prostituierte nicht nur aus Eigeninitiative an, auch die Staatssicherheit sandte sie dorthin, um sie auf Personen anzusetzen. Daneben kam es zu Aufenthaltsbeschränkungen für Frauen, die als „asozial“ galten und das gewünschte Bild der DDR nicht zerstören sollten. Die Leipziger Frühjahrs- und Herbstmessen mit jeweils circa 600.000 Besuchern bieten ideale Voraussetzungen für eine Analyse der Prostitution während Großveranstaltungen.
Eine vergleichende Untersuchung der drei Städte Rostock, Berlin und Leipzig von 1968 bis 1989 kann die vielfältigen Facetten und Ausprägungen der Prostitution in der DDR aufzeigen. Dabei soll als Basis der Arbeit die Lebenswirklichkeit der Frauen nachgezeichnet werden. Erhebungen zu Alter, Familienstand und sozialer Schichtung sind notwendig. Außerdem stellt sich die Frage nach der Organisation innerhalb dieses nicht-öffentlichen Milieus. Inwieweit unterschied sich Prostitution im „real existierenden Sozialismus“ vom Milieu in der Bundesrepublik? Die Illegalität förderte einen internen Zusammenhalt bei gleichzeitiger gegenseitiger Bespitzelung für das MfS. Prostituierte in der DDR hatten oft Beziehungen zu ihren Kunden, die über die sexuelle Dienstleistung hinausgingen – das „Geschäft“ stand nicht immer im Vordergrund. Auch die Organisation durch Zuhälter fiel meist weg, dafür gab es andere Nutznießer (Barpersonal, Taxifahrer, Partner). Weiterhin florierte der Schwarzmarkt mit westlichen Waren und Devisen. Die Organisation und Bedeutung dieser Schattenwirtschaft und der verzweigten Netzwerke sind unbedingt näher zu analysieren.
Im Vordergrund der Arbeit sollen schließlich staatliche Eingriffsversuche und deren Wirksamkeit stehen. Welche Repressionen entwickelte der SED-Staat gegen Prostituierte? Welche Handlungsmuster ergaben sich daraus für die Frauen? Hier soll neben strafrechtlichen Verurteilungen vor allem die Arbeit der Räte der Städte, Abteilung Innere Angelegenheiten untersucht werden. Daneben sind die Eingriffsmöglichkeiten des Gesundheitssystems von Interesse. Neben repressiven Maßnahmen durch die staatlichen Organe ist auch eine Unterstützung und Deckung der Prostitution durch das MfS zu verzeichnen. Ein Großteil der Frauen wurde als Inoffizielle Mitarbeiter (IM) angeworben, um ihr eigenes Milieu „abzusichern“. Daneben ist es sinnvoll, Prostitution in Interhotels mit Bezug zur Staatssicherheit näher zu untersuchen. Hier kamen promisk lebende Frauen zum Einsatz, die auf „operativ-interessante“ Ausländer angesetzt wurden und in vielen Fällen mit ihnen intim werden sollten. Können diese Frauen als Prostituierte definiert werden oder gleichen sie den männlichen „Romeos“ in der BRD?
Bisher verschwand das Feld der Prostitution als weißer Fleck in der Erforschung der DDR-Geschichte. Durch die vergleichende Untersuchung der Städte Rostock, Berlin und Leipzig können sowohl neue Erkenntnisse der Alltags- und Sozialgeschichte, als auch der politischen Repressionen und der Arbeit des MfS gewonnen werden.

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