Sozialismus und Nation. Geschichte und Geschichtsbewusstsein der NDPD 1948-1990.

Das Dissertationsprojekt befasst sich mit der National-Demokratischen Partei Deutschlands (NDPD), die Zeit ihres Bestehens Bestandteil der DDR-Blockpolitik war. Unangefochtene Führungskraft dieser gemeinsamen Politik war die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED), deren leitende Funktionäre in Zusammenarbeit mit der Sowjetunion die Gründung einer „nationalen Partei“ in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) in die Wege geleitet hatten.
Das hatte mehrere Gründe: Die frühe Parteienlandschaft in der SBZ war noch weitestgehend demokratisch organisiert, die bürgerlich geprägten Liberal- und Christdemokraten (LDP und CDU) waren anfangs ernsthafte Konkurrenten für die SED. Die NDPD sollte potentiellen Wähler dieser Parteien abschöpfen.
Ferner sollten ehemalige NSDAP-Mitgliedern, die im Rahmen der Entnazifizierung als weitestgehend unbedenklich eingestuft wurden, durch die NDPD in die neue Gesellschaftsordnung eingegliedert werden. Spätestens seit dem Mauerbau 1961 konzentrierte sich die Partei dann auf den Mittelstand der DDR, also die Handwerker, Gewerbetreibenden und Angestellten und stand damit im direkten Wettbewerb zur LDP.
Die NDPD ist in der deutschen Parteiengeschichte eine Besonderheit, da sie sich auf keine politische Traditionslinie berufen konnte, wie etwa Kommunisten, Liberale oder Christdemokraten. Trotz der offenbaren Geschichtslosigkeit der Partei hatten die Parteikader eine Geschichte. Es soll daher die Frage gestellt werden, ob Funktionärskontinuitäten, ausgehend von der Weimarer Republik, vorhanden waren. Wie groß war die Zahl derjenigen, die schon in anderen Systemen politische Akteure waren? Wer hatte Teilhabe und Einfluss in der Partei, besonders im Hinblick auf ihre Qualitäten als Auffangbecken für ehemalige Nationalsozialisten? Oder zeigt sich der Charakter der Partei als SED-Konstrukt auf der Funktionsebene anhand von kommunistisch geprägten Funktionären? Mögliche Kontinuitäten können durch einen gruppenbiografischen Zugang erarbeitet werden.
Daraus lassen sich auch Vermutungen anstellen, was einen Menschen dazu brachte, ausgerechnet bei den National-Demokraten einzutreten:
Idealistischer Glaube an Demokratie und Frieden, die Person des geläuterten „Nazis“, die NDPD als Schutzraum für alte Konservative und ihr Fremdheitsgefühl im DDR-Sozialismus oder schlicht Karrierismus können mögliche Antworten auf diese Frage sein.
Ein weiterer Punkt ist das Selbstverständnis der Partei. Die NDPD mag zwar geschichtslos gewesen sein, arbeitete aber an einer nationalhistorischen Legitimation. Bezugnahmen zu den Befreiungskriegen 1813-15 und zum Revolutionsjahr 1848 sind bekannt, aber nicht weiter untersucht worden. Eine Quelle für die Eigensicht und die historische Selbstverortung können die Publikationen des parteieigenen Verlags der Nation (VdN) liefern. Buchreihen wie „Deutsche, auf die wir stolz sind“ legen die Sicht frei auf parteieigene Definitionen zum schwierigen Komplex „Nation“. Es stellt sich die Frage nach der Geschichts- und Erinnerungskultur dieser Partei und ihrem Verhältnis zur deutschen Vergangenheit. Wie stand die NDPD zu Preußen, zum Militarismus und Persönlichkeiten wie Bismarck? Gab es Äußerungen zum Nationalsozialismus und zum Holocaust? Der Vermittlung von Geschichte und Geschichtlichkeit durch die NDPD kann mit Ansätzen aus der Historischen Diskursanalyse begegnet werden, die Formen und Regeln der historischen Repräsentation thematisiert.
Das Promotionsvorhaben soll also nicht die bloße Geschichte der Partei „von bis“ zum Gegenstand haben, sondern die NDPD im Geflecht aus Politik, Kultur und Geschichte einordnen und bewerten.