Hilfswissenschaften kurz erklärt

Die Historischen Hilfswissenschaften sind diejenigen Teildisziplinen der Geschichtswissenschaft, die sich in besonderem Maße mit der Erschließung und Aufbereitung des Quellenmaterials befassen. Sie sind das "Werkzeug des Historikers" (Ahasver von Brandt).

Um eine Quelle wissenschaftlich korrekt aufzuarbeiten, sind folgende Teildisziplinen der Hilfswissenschaften erforderlich:
 

Paläographie beschäftigt sich zum einen mit der Entwicklungsgeschichte der Schrift und zum anderen mit dem Lesen, Datieren und Lokalisieren von Handschriften mit Hilfe von graphischen Merkmalen. Dabei untersucht Paläographie die allgemeine Entwicklung der Schriften mit besonderem Augenmerk auf die Buchstabenschrift. Sie arbeitet individuelle Besonderheiten, wie einzelne Buchstaben, Kürzungen, Satzzeichen heraus und untersucht den Duktus, den Gesamteindruck der Schrift, durch die Neigung, Strichstärke, Tinte und Material des Beschriebenen. Das ist wichtig, um eine bestimmte Schreiberhand (Handschrift; Abkürzung HS) festzustellen und damit die Lebenszeit, den sozialen Rang und den Namen des Schreibers zu ermitteln. Die korrekte Zuordnung ermöglicht so zuverlässige Transkriptionen. 
 

Epigraphik ist die Inschriftenkunde und befasst sich mit dem Lesen und Deuten von Inschriften. Inschriften befinden sich an Bauwerken (von der Stiftungsinschrift bis zu Besitzzeichen), Flurdenkmälern, Glocken und vor allem auf Grab- und Gedächtnissteinen sowie auf Gewandsäumen, handwerklichen Erzeugnissen und Kunstwerken. Zum Schreiben der Inschriften wurden verschiedene Werkzeuge benutzt, wie Meißel und Hammer, für gemalte Inschriften Pinsel und Farbe. Dabei ist es entscheidend wie vertieft oder erhaben die Inschriften geschrieben wurden oder ob gegossene Metallbuchstaben verwendet wurden. Die Unterschiede in der Ausprägung der Schriftformen lassen Schlüsse auf die Verwendung von Materialien und Werkzeugen zu. So können Inschriften einer Zeit und Region besser zugeordnet werden.
 

Diplomatik ist die Urkundenlehre. Es werden in drei verschiedene Urkundengruppen unterschieden: Kaiser- und Königsurkunden, Papsturkunden und Privaturkunden. Zuerst untersucht der Historiker die äußeren Merkmale der Urkunde wie Papier und Schrift, Besiegelung, Unterschriften und bestimmte Grußformeln. Danach werden die inneren Merkmale wie Stil und Sprache der Urkunde untersucht. Die meisten überlieferten Urkunden wurden in Latein verfasst.
 

Sphragistik ist die Siegelkunde. Sie untersucht Form, Material, Befestigung, Darstellung und Funktion von Siegeln. Siegel wurden als Beglaubigungsmittel und zum Verschluss von Urkunden und Briefen benutzt. Die Siegel der Kaiser, Könige und Päpste, sowie einige Siegel der geistlichen und weltlichen Fürsten und Städte wurden als rechtswirksam angesehen.
 

Akten- oder Archivalienkunde untersucht Schriftstücke aus amtlichen Tätigkeiten. Mit ihrer Hilfe gewinnen wir Erkenntnisse zu ausgeführten Geschäftsgängen und erhalten Einblicke in vergangene Verwaltungen, in Kompetenzverteilungen, Hierarchien und Arbeitsmethoden.
 

Chronologie beschäftigt sich mit den Grundlagen und dem Gebrauch der Zeitrechnung, der Datierung und den Kalendern. Die astronomischen Daten dienen als Grundlage für die Umrechnung von Jahr und Tag. Dabei ist für den Historiker auch die philosophisch-ideologische und kulturelle Zeitrechnung von Bedeutung, wie Jahre vor und nach Christi Geburt, Jahre seit Erschaffung der Welt (byzantinische Ära), Verwendung des Festkalenders (Weihnachten, Ostern, Pfingsten usw.) oder seiner säkularisierten Formen (z.B. Muttertag, Vatertag, Tag der deutschen Einheit). Um eine Zeitangabe der Quelle wissenschaftlich einzuordnen, müssen alle vorherrschenden oben genannten Zeitangaben beachtet werden.
 

Heraldik ist die Wappenkunde und beschäftigt sich mit dem Wappenrecht, den Darstellungen und der Geschichte des Wappenwesens seit ihrer Entstehung im Mittelalter. Wappen dienen bis heute als Zeichen der Zugehörigkeit und Unterscheidung. Sie wurden auf unterschiedlicher Weise überliefert, wie auf Wappenrollen des Herolds, in Wappenbüchern und Urkunden. Im Spätmittelalter findet man Wappen auch auf Siegelbildern. Wappen können vererbt oder erworben werden. Es gibt genaue Regeln sowohl für die Gestaltung von Wappen, vor allem in der Gegenüberstellung von Farben (Rot, Blau, Grün, Schwarz) und Metallen (Silber und Gold) wie auch für die Beschreibung (Blasonieren).
 

Numismatik untersucht das Geld- und Münzwesen. Die materielle Münze als Artefakt ist dabei ein Teilgebiet der Numismatik ebenso wie die Erforschung des Münzrechts und der Münzsysteme, die historische Preisentwicklung, die Entwicklung der Wechselkurse und die Entstehung und Ausbreitung des Bankwesens. So kann eine gefundene Münze Auskunft über zeitgenössische wirtschaftliche Verbindungen und Fernhandelsbeziehungen geben.
 

Genealogie beschäftigt sich mit den menschlichen Abstammungsverhältnissen. Dabei ist zu beachten, dass auf Grund der Quellenlage in älteren Epochen meist nur die Oberschicht erfasst wurde. Bei den Stadtbürgern im späten Mittelalter lassen sich meist auch genauere verwandtschaftliche Beziehungen untersuchen. Die Darstellung der Verwandtschaftsverhältnisse in Tafeln (Stammbaum) dient dabei häufig der Tradierung und der Legitimation von Herrschaft. Mit der Einführung von Taufregistern in der Neuzeit und später mit der Einführung standesamtlicher Akten wurde die Quellenlage erheblich verbessert. 
 

Eine Leseempfehlung aus unserer Bibliothek:

Beck, Friedrich; Henning, Eckhart (Hg.): Die archivalischen Quellen. Mit einer Einführung in die historischen Hilfswissenschaften. 5., erw. und aktualisierte Aufl. Köln [u.a.] 2012.

ND 1420 B393(5)

Wer mehr Auswahl möchte, gibt im Regionalkatalog z. B. den Begriff Historische Hilfswissenschaften ins Suchfeld ein oder eine der oben aufgeführten Einzelwissenschaften.