Karolin Gloy
(Geschichtsdidaktischer Anteil)

Zwischen Ideologie und Innovation

Die Pädagogischen Lesungen der ehemaligen DDR: Werkzeuge der Herrschaftsstabilisierung oder Instrumente zur Steigerung der Unterrichtsqualität?

Als transdisziplinäres Forschungsvorhaben wird dieses Projekt, finanziert vom Theoria-Förderprogramm des Landes Mecklenburg-Vorpommern, an der Universität Rostock in enger Zusammenarbeit der Fachbereiche Geschichts- und Deutschdidaktik unter Leitung der Professoren Oliver Plessow und Tilmann von Brand durchgeführt werden. Ausgehend von den Pädagogischen Lesungen, die sich im Bestand der Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung in Berlin befinden, wird - neben anderen Studien, die zur Zeit angefertigt werden - ein Grundstein geschaffen, diesen unikalen Bestand für fachdidaktische Forschungen der Fächer Deutsch und Geschichte in der DDR zu nutzen.

Seitenansicht einer Pädagogische Lesung im Originalzustand

Vor dem Hintergrund der sozio-politischen Indoktrination des SED-Staates stellen die Pädagogischen Lesungen einen interessanten Untersuchungsgegenstand dar, um Grenzen und Freiräume im damals bestehenden Schulsystem ausfindig zu machen. Die Lesungen, selbst als vorbildhafte Unterrichtskonzepte in der Lehrerfortbildung eingesetzt, sollten innovative Ansätze in der didaktisch- und methodischen Unterrichtsgestaltung anbieten. Mit einem Beschluss des Ministerrats aus dem Jahr 1954 wurde staatlich die Anfertigung und die Funktion dieser festgesetzt:

 

„Um die schöpferische Arbeit der Lehrer und Erzieher weiter zu entfalten, die besten Praktiker an die pädagogische Wissenschaft heranzuführen und neue Kader zu entwickeln, sind erfolgreiche Lehrer und Erzieher anzuleiten, ihre Unterrichtserfahrungen zu sammeln und schriftlich niederzulegen.“ (Verfügungen und Mitteilungen des Ministeriums für Volksbildung, Beilage zu 8/1954, §60 „Verordnung zur Verbesserung der Arbeit der allgemeinbildenden Schulen“)

 

Wie stark dabei die Lesungen den politisch-ideologischen Vorgaben unterworfen waren oder wirkliche Ansätze für didaktische Innovationen boten, wird einen Untersuchungsaspekt darstellen, der nicht nur fächerbezogen, sondern auch kontrastiv zwischen Geschichte und Deutsch von großer Bedeutung sein wird.

 

Doch nicht nur der durch die Nähe von Geschichtsdidaktik und Zeitgeschichte unumgängliche politisch-ideologische Hintergrund soll eine Rolle spielen, sondern auch die didaktischen Ansätze, die ihren Weg in die Pädagogischen Lesungen fanden. Welche Neuerungen dabei eine große Rolle spielten und vielleicht auch schon Vorreiterpositionen in Bezug auf die heutige Geschichtsdidaktik einnahmen, wird systematisch untersucht werden.  

Mithilfe der direkten Arbeit am Quellenmaterial kann so ein klareres Bild des Geschichtsunterrichts zu DDR-Zeiten geschaffen werden, der trotz seines politischen Kontextes neue Blickwinkel auf die damalige Geschichtsdidaktik ermöglicht.

 

Weiterführende Informationen finden Sie unter https://www.pl.uni-rostock.de/

 

Kontakt
Prof. Dr. Oliver Plessow
Universität Rostock
Professur für Fachdidaktik Geschichte
Neuer Markt 3
18055 Rostock

Telefon: +49 381 498 2716
Email: o.plessowuni-rostockde