Objekt des Monats Mai / Juni

Hegels Kaffeemaschine                  

Im Oktober 1807 bat der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel, der zu dieser Zeit in Bamberg lebte, seinen Freund Immanuel Niethammer, ihm eine Kaffeemaschine zu besorgen. Nicht einfach irgendeine sollte es sein, sondern „eine Rumfordsche Kaffeemaschine“ gab Hegel per Brief in Auftrag, die „am besten oder ausschließlich in München verfertigt werden“, wo wiederum Niethammer wohnte. Hegel, der als Hauptvertreter des Deutschen Idealismus gilt, versprach sich von der Erfindung Benjamin Thompson, Count von Rumfords nichts weniger, als dass sie helfen könne, seine Gedanken in Fluss und „etwas mehr Geist in [s]eine Beschäftigung“ als Redakteur der Bamberger Zeitung zu bringen. Drei Monate später bedankte sich Hegel mit den folgenden Worten bei Niethammer: „ich wollte Ihnen doch erzählen können, wie vortrefflich mir der Kaffee aus dieser den Wissenschaften verdankten Maschine schmeckte – auch davon, wie viel mein wissenschaftliches Treiben bereits diesem Kaffee verdanke“. Allerdings war er zu diesem Zeitpunkt noch nicht in den Kaffeegenuss gekommen, weil ihm noch immer ein blecherner Wasserkessel fehlte, was Hegel zum Anlass nahm, die in Bamberg noch fehlende Wechselwirkung zwischen Industrie und Wissenschaften zu lamentieren.

Diese Anekdote gibt Anlass zu zwei Beobachtungen. Zum Einen finden wir in Hegels Brief das bis heute unter Studierenden, Lehrenden und weit über den Universitätsalltag hinaus verbreitete Stereotyp koffeinbedingter Produktivität. Dieses verweist auf die mit der Verbreitung europäischer Kaffeehäuser im 18. Jahrhundert geführten Debatten über die anregenden Eigenschaften von Kaffee und seine Auswirkungen auf die sogenannte aufgeklärte Geselligkeit sowie globale Verknüpfungen und koloniale Zusammenhänge, welche Hegel als aufmerksamem Zeitgenossen durchaus bewusst waren. Zum Anderen verweisen Rumfords Kaffeemaschine und Hegels Beschwerde auf die praktische Aufklärung und den Drang nach „Verbesserung“. In diesem Umfeld ist der Erfinder Rumford selbst eindeutig zu verorten, der sich aktiv um soziale Reformen und die Verbreitung nützlichen Wissens bemühte und von Joel Mokyr dem „Industrial Enlightenment“ zugeordnet wird. Jedenfalls lag Rumford daran, dass „die ausgezeichneten Eigenschaften des Kaffees“ allen zugänglich wären und sein einschlägiger Aufsatz beschreibt auch DIY-Alternativen. Nicht umsonst hatte er „keine Mühen gescheut, um herauszufinden, wie man [Kaffee] in höchster Vollkommenheit zubereiten kann“. Rumfords Aufsatz erschien allerdings erst 1812. In der Zwischenzeit zog Hegel nach Nürnberg, doch erschwerten geopolitische Umstände auch dort seinen Kaffeegenuss: mit Napoleons Niederlage und dem Ende der Kontinentalsperre bemerkte Hegel Ende 1813 in einem weiteren Brief an Niethammer, dass nun wenigstens wieder guter Kaffee zu haben sei.

Text: Dr. Elias Buchetmann, Universität Rostock